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Reife Persönlichkeiten sind gute Nachwuchskräfte

Thomas Gauza ist kaufmännischer Ausbildungsreferent im Familienunternehmen Boehringer Ingelheim. Das Pharmaunternehmen ist weltweit tätig und legt großen Wert auf eine ganzheitliche Ausbildung. Dazu gehört für den Betrieb auch, Auszubildenden einen Auslandsaufenthalt während der Ausbildung zu ermöglichen. Denn die Zeit im Ausland prägt die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen und ist ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen.

Portrait von Thomas Gauza

Lieber Herr Gauza, im November 2021 hat Ihr Auszubildender Felix mit der Förderung von AusbildungWeltweit ein Auslandspraktikum in Dubai absolviert. Wie ist er wieder zurückgekommen?

Er ist euphorisch wiedergekommen, es hat ihm riesigen Spaß gemacht. Mein Lieblingszitat von ihm: „In diesen vier Wochen habe ich so viel vom Leben gelernt.“ Dieser Satz sagt so viel aus. Und das kann ich als Ausbildungsleiter bestätigen: die jungen Leute machen einen Sprung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und nehmen diese Erfahrung für ihr ganzes Leben mit – beruflich und privat.

Welches Ziel verfolgen Sie als Unternehmen damit, Ihren Auszubildenden ein Auslandspraktikum zu ermöglichen?

Uns bei Boehringer Ingelheim geht es um eine ganzheitliche Kompetenzerweiterung: so soll ein Auslandsaufenthalt unsere angehenden Nachwuchskräfte sowohl in den Bereichen der sprachlichen, interkulturellen und persönlichen Kompetenz deutlich nach vorne bringen. Dies entspricht auch unserer Vorstellung einer ganzheitlichen Ausbildung. Wir wollen keine Fachidioten ausbilden. Die sogenannten Soft Skills sind für unsere Teams und unser gesamtes Unternehmen von sehr großer Bedeutung. Und in all diesen Bereichen machen Auszubildende, die im Ausland waren, einen riesigen Sprung.

Dann ist das Auslandspraktikum ein fester Baustein in der Ausbildung bei Boehringer Ingelheim?

In einigen Ausbildungsberufen ist ein Auslandsaufenthalt sogar ein obligatorischer Bestandteil – in anderen Bereichen ist es eine Möglichkeit. Ein wertvoller Baustein ist er allemal. So bereiten das Leben, Lernen und Arbeiten im Ausland auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vor. Unsere Teams sind oft international und nicht selten ist die Arbeitssprache Englisch. Doch die Sprachkenntnisse alleine reichen nicht, es ist auch wichtig, die andere Art der Kommunikation zu verstehen. Hier gilt es, über interkulturelle Kompetenz zu verfügen. Diese ist ein Erfolgsfaktor für ein internationales Unternehmen.

Sie selber haben zu Beginn Ihrer Laufbahn auch eine Ausbildung bei Boehringer Ingelheim absolviert. Waren Sie während der Ausbildung im Ausland?

Ja, und deswegen weiß ich auch, was ein Auslandspraktikum bewirkt! Ich war 2002 in Australien. Damals gab es leider noch keine Förderung und ich musste für das Auslandspraktikum sparen. Es ist ein großes Privileg, dass wir durch das Förderprogramm AusbildungWeltweit nun vielen Auszubildenden eine Lernphase im Ausland ermöglichen können.

Welche Erfahrungen haben Sie im Auslandspraktikum gemacht?

Ich habe damals eine klassische Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und war in der Rolle, in der sich unsere Auszubildenden heute befinden. Ich war bei einem kleinen Unternehmen, das die Produkte in Australien vertrieben hat. Drei Wochen lang habe ich dort mitgearbeitet, anschließend habe ich noch zwei Wochen Urlaub gemacht, sodass ich insgesamt fünf Wochen australische Luft schnuppern konnte. Ich habe alles selbst organisiert und dabei sehr viel gelernt. Ich weiß noch, dass ich drei Phasen durchlaufen habe. In der ersten Woche hatte ich die Phase „Schaffe ich das alles?“, in der zweiten Woche die Phase „Ja, ich komme doch zurecht“, in der dritten Woche die Phase „Es läuft und wie schade, dass ich wieder gehen muss!“. Ich bin von dem Aufenthalt sehr zufrieden zurückgekommen in dem Wissen „Ich habe das alles gemeistert“.

Hat Sie diese Erfahrung für Ihre jetzige Tätigkeit geprägt?

Auf jeden Fall. Nach meiner eigenen Erfahrung ist es mir ein Herzensanliegen, heute möglichst vielen jungen Menschen eine Auslandserfahrung in der Ausbildung zu ermöglichen. Sowohl meine Erfahrung als Auszubildender im Ausland als auch meine Erfahrung als Ausbilder zeigen: es ist ein sinnvolles zeitliches und finanzielles Investment, Auslandsaufenthalte in der Ausbildung zu ermöglichen. Der Unterschied zu damals ist: ich möchte es möglichst allen anbieten, weil es finanzielle Unterstützung gibt. Mit AusbildungWeltweit haben wir nun seit 2019 Auszubildende nach Mexiko, Argentinien, Singapur und Australien fliegen lassen. Durch die Förderung von AusbildungWeltweit und Erasmus+ können wir nun jedes Jahr rund 30 Auszubildende in ein Auslandspraktikum schicken.

Soll diese Anzahl an Auslandsaufenthalten konstant bleiben?

Unser Ziel ist es, in Zukunft noch mehr Azubis eine Auslandserfahrung zu ermöglichen. Denn so einen geballten Lernerfolg wie während eines Auslandsaufenthaltes hat man nicht noch einmal in der Ausbildung

Es ist vielleicht sogar die lernintensivste Zeit in der dreijährigen Ausbildung – im Sinne dessen, was man fürs Leben lernt. Der Blick über den Tellerrand ist enorm wichtig. Man hat auch mal einen Blick von außerhalb auf Deutschland und Europa geworfen und nimmt viel mit von den anderen Ländern. Was haben die gerade für Themen? Man ist für kurze Zeit „Insider“ in einem anderen Land und „Outsider“ in Bezug auf Deutschland. Damit gehen Entwicklungsprozesse einher, die für einen jungen Menschen sehr wertvoll sind. Wie ist es, in einem anderen Land fremd zu sein und vielleicht auch anders zu sein, anders auszusehen? Wie gehe ich damit um? Was lerne ich daraus, wenn ich in Deutschland Menschen begegne, die hier fremd sind? Diese Erfahrung erweitert den Blick und den Horizont. Und das prägt fürs Leben.

Dann ist Ihnen diese persönliche Komponente auch für Ihr Unternehmen sehr wichtig?

Absolut. Wir bilden mit dem Ziel aus, dass wir sehr kompetente, aber auch reife Persönlichkeiten als Nachwuchs für unser Unternehmen haben. Wir gehen davon aus, dass das dann bessere Kandidatinnen und Kandidaten als vom externen Markt sind und dass diese unseren Unternehmenserfolg mitgestalten. Das geht mit gut entwickelten Persönlichkeiten, die eine große Komfortzone haben und den Blick über den Tellerrand kennen. Im Sinne dieser ganzheitlichen Ausbildung ist ein Auslandsaufenthalt ein wichtiger Pfeiler. Die Kosten für die Auslandsaufenthalte werden von dem Förderprogramm AusbildungWeltweit abgefedert. Aufwand und Ertrag stehen dabei in sehr gutem Verhältnis.

Dementsprechend würden Sie auch anderen Unternehmen empfehlen, Auslandsaufenthalte zu ermöglichen?

Ich würde es jedem Ausbildungsbetrieb absolut weiterempfehlen – selbst Kleinunternehmen. Man bekommt einen reiferen Azubi zurück, vielleicht sogar einen besseren.

Wenn ich für den Eigenbedarf ausbilde, ist es eine sehr nachhaltige Investition, die sich absolut auszahlt.

Und ich kann nur den Tipp geben: Man sollte die Förderung nutzen! Wenn es eine Finanzierungshilfe gibt, sollte man die Möglichkeit ergreifen und den Schritt ins Ausland wagen. Man kann diese Hilfe einfach in Anspruch nehmen, die Antragstellung ist unkompliziert. Man muss natürlich Zeit für die Antragstellung und die Nachweise der Ausgaben einplanen – aber hier wird man vonseiten des Förderprogramms unterstützt. Aus meiner Sicht spricht alles dafür, diese Chance als ausbildendes Unternehmen zu nutzen.